Gestern haben wir einen Zeitsprung in die Vergangenheit gemacht. In dieser Vergangenheit sind Pressluft und elektrische Stirnlampen schon angekommen, dafuer ist alles Andere aber original. Wir hatten uns den Besuch im Cerro Rico in Potosi extra fuer den naechsten Tag eingeplant, um uns besser an die Hoehe zu gewoehnen. Bei 4.070 Metern in der Innenstadt und zwischen 4.200 - 4.600 Metern am Silberberg von Potosi merken wir als Flachlandmenschen die Hoehe deutlich. Es heisst die Hoehenkrankheit wuerde sich nach einigen Tagen aufloesen. Nach zwei Tagen ist davon nichts zu spueren. Am Morgen wache ich mit einer Moerderbirne auf und auch das Fruehstueck will in diesem Zustand nicht so recht an mich gehen. Gaby geht es deutlich besser, aber auch sie merkt die Hoehe. Da wir weder Zeit noch Lust haben im Selbstexperiment auszutesten, nach wie vielen Tagen dieser Effekt tatsaechlich eintritt, machen wir uns trotzdem auf den Weg. Zuvor heisst es noch sich mit Gummistiefeln, Helmen, Stirnlampen und Schutzklamotten fuer die eigenen Kleidung einzudecken. Ein kleiner Stop auf dem Minenarbeitermarkt versorgt uns mit den passenden Gastgeschenken fuer die Arbeiter. Dynamit, Kokablaetter, Zigaretten, 98%tiger Alkohol und jede Menge ultrasuesse Limonaden. Der Besuch der Minen ist ein Besuch im laufenden Betrieb. Hier gibt es keinen Touristenstollen zum Reinschnuppern. Nachdem die Spanier von 1545 bis zum 18. Jahrhundert den groessten Teil des Silbervorkommens nach Europa geschafft hatten blieben fuer die Bolivianer nur klaegliche Reste des immensen Vorkommens uebrig. Ueber 60.000 Tonnen Silber sollen von hier aus nach Europa und ueberall in die Welt gewandert sein. Aktuell wird in Potosi im Cerro Rico nach Zinn- und Zinkerz gesucht. Dank der hohen Weltmarktpreise loht sich dieser Aufwand noch. Von armdicken Edelmetalladern kann hier schon lange nicht mehr die Rede sein. Meinen Kopf hatte ich in der Zwischenzeit mit Aspirin einigemassen eingefangen und dazu muemmelten wir ordentlich Cocablaetter im Bus zu den Minen. Das soll ja helfen. Und alles was gegen Hoehenuebel hilft, sollte uns recht sein. Die ganze Tour dauerte ca. 2,5 Stunden. Im ersten Teil konnten wir uns halbgebueckt vorwaerts bewegen. Wobei ich mehrfach die Sinnhaftigkeit meines Helms testete. In regelmaessigen Abstaenden blieb ich an irgendeinem Balken oder Felsvorsprung haengen. Bereits in der ersten Sektion war die Luft recht staubig und stickig. Belueftet wird das ganz System nur durch die Eingaenge oder Foederschaechte. Im Prinzip ist das ganz einfach. Je tiefer, umso mieser wirds. Fuer Gaby war nach dem ersten Stueck Schicht im Schacht. Die warme, staubige und arsenhaltige Luft in Kombination mit den engen Gaengen waren zu viel fuer sie. In verschiedenen Stellen des Berges zollen die Minenarbeiter dem Teufel des Berges "el Tio" ihren Tribut. Im zu Ehren werden in einigen Nischen Teufelsstatuen aufgebaut. Um den eigenen Gewinn zu beschleunigen oder um sich vor Unfaellen zu schuetzen spenden sie ihm taeglich reichlich Alkohol, Cocablaetter und Zigaretten. Er ist der Herrscher des Unterirdischen und wird mit riesigem Penis abgebildet. In unserem Fall hatte er laut unseres Fuehrers zu viel Chucuchucu in der Nacht zuvor mit Pachamama (Mutter Erde) gemacht, was einen klaren Penisbruch zur Folge hatte. Ob das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen waere konnte er nicht sagen. In die zweite Sektion ging es krauchend und kriechend. Mal auf allen vieren, mal auf Ruecken und Hosenboden rutschend bewegten wir uns immer tiefer in den Berg. Mit jedem Meter wurde es waermer und von Frischluftzufuhr war schon lange keine Spur. Der Helm schien mir den Kopf zusammenzuhalten. Der gute Ratschlag bei groessen Hoehen auch leichtere Anstrengunmgen zu vermeiden war aktuell nicht umsetzbar. Irgendwann waren wir am Ende eines Ganges angekommen. Dort kauerte in der hintersten Ecke ein Minenarbeiter und haemmerte von Hand ein Loch in den Felsen fuer eine Sprengladung. Der ihm zur Verfuegung stehen Raum entsprach ungefaehr der Groesse eine etwas groesseren Minibar im Hotel. Kein Mensch weiss wieviele Stollen und Gaenge es in diesem Berg gibt. Darum kann jede Sprengung gleichzeitig auch groessere Auswirkungen auf andere Arbeiter haben, die sich darueber oder darunter durch den Felsen wuehlen. Die Vorstellung waehrend einer Sprengung in der Naehe zu sein fand ich nicht sonderlich behaglich. Nach knapp 2 Stunden waren wir im unteren Teil der Mine angekommen. Hier staubte es weniger, aber dafuer herrschten hier 35 Grad. Die Luft roch recht intensiv nach irgendwelchen Gasen. Immer wieder mussten wir uns an die Seiten draengen, wenn eine Lohre rumpelnd durch die Geange kam. Die 2 Tonnen schweren Teile werden von 2-4 Leuten durch den Berg geschoben. Ich fand bereits "lockeres" Kriechen und Spazierengehen mehr als anstrengend. Als ich endlich aus dem Berg wieder rauskam war ich voellig durchgeschwitzt. Die Cocablaetter waren in der Zwischenzeit in meinen Magen gewandert und puenktlich zum Ausgang beschlossen auch diese ueber den gleichen Weg wie sie herein gekommen waren auch wieder aussteigen zu wollen. Begleitet von einer Flasche Wasser flutschte das gute Kraut aus mir. Den Rest des Tages hatten wir als kleine Nebenwirkung unsere Zungen eine Art Loeschblattfunktion uebernommen. Auch Unmengen an Wasser konnten dieses Gefuehl nicht beseitigen. Fuer unsere Abfahrt hatten wir noch schnell unsere Waesche in die Lavanderia gebracht. Und auch hier ist Bolivien fuer eine kleine Ueberraschung gut. Waehrend in allen anderen Laendern die Waesche landestypisch seifig gut riecht ist in Bolivien Desinfektion angesagt.
Unsere Klamotten riechen ein wenig so als haetten wir damit eine Werkstatt mit Motorkaltreiniger ausgewischt. Mein T-Shirt fuer die Nacht hatte eine schier narkotisierde Wirkung. Sobald der Stoff warm wird verbreitet er seine ganze Wirkung. Fruehlingsduft auf bolivianisch. Unser salbungsvolles Verhalten mittels Korrosiosloesers und die leichte Zuhilfenahme unseres Gummihammers haben Gabys Lenkradschloss wiederbelebt. Heute haben wir nur einen kurzen Hopser nach Sucre gemacht und morgen wollen wir nach Samaipata. In Sucre ist bei sommerlichen Temperaturen Karneval angesagt. Dabei bewerfen die Chicos die Chicas mit Wasserbomen. Derweil wir auf dem Balkon eines Restaurants sassen konnten wir die Geschosse kreuz und quer ueber den Platz fliegen sehen. Sucre ist nicht ohne Grund Weltkulturerbe. Die "weisse" Stadt ist die besterhaltenste antike Stadt Suedamerikas. Hier ist alles super sauber und die Stadt ist voll mit Studenten und jungen Leuten. Bislang hatten wir in Bolivien sehr wenige Touristen gesehen. In Sucre ist das anders. Das angenehme Klima und die schoene Stadt zieht die Leute hierher. Darum wundert es uns auch nicht das es an jeder Ecke Sprachschulen gibt. Vielleicht ist das eine prima Option fuer einen Kurzurlaub in der Zukunft. Doch fuer diesesmal wird das nix. Die Zeitangaben fuer unsere morgige Strecke liegen zwischen 6-12 Stunden. Wir werden darum besser ausnahmsweise ganz frueh starten und lassen uns ueberraschen was der Tag so bringt. Ein Bett haben wir uns schon reserviert. Alles ganz typisch bolivianisch - im Hotel Landhaus. Wenn bolivianische Politiker Manfred heissen wundert es auch nicht mehr, wenn im dem 1.200 Seelenkaff schwaebisch gesprochen wird. Weil die Cruzenos aus der Millionenstadt diesen kleinen Ort als ein beliebtes Ausflugsziel ausgeguckt haben fanden wir es ausnahmsweise angeraten uns schon vorher schlau zu machen. Hoffentlich regnet es morgen nicht groesser sonst wird die Fahrt zur Schlammschlacht - und sehr langsam. Natuerlich wuerden wir uns auch freuen vielleicht bereits nach 10 Stunden vielleicht schon die 340 Kilometer hinter uns gebracht zu haben. Wenn die Natur und die Strassenbauer nicht ganz wilde spezielle Pruefungen fuer uns bereit halten sollte es eigentlich klappen.
In diesem Sinne - suerte.
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